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Generalsekretär stellt Jahresgutachten zur wirtschaftlichen Entwicklung vor

Albstadt/Sigmaringen. Vergangene Woche hat Sebastian Weiske Ph.D., stellvertretender Generalsekretär beim Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, das aktuelle Jahresgutachten an der Hochschule in Sigmaringen vorgestellt. Die beliebte Vortragsreihe fand bereits zum 21. Mal an der Hochschule statt und sorgte auch in diesem Jahr für ein voll besetztes Audimax.

Unter dem Titel des Jahresgutachtens, „Den Strukturwandel meistern“, beschreibt der Sachverständigenrat, häufig auch „Die fünf Weisen“ genannt, die wirtschaftliche Lage und analysiert die aktuellen wirtschaftspolitischen Herausforderungen in Deutschland.

Sebastian Weiske gab zunächst einen kurzen Abriss über die Institution des Sachverständigenrates und seine Arbeitsweise. Anschließend skizzierte er die konjunkturelle Entwicklung am aktuellen Rand und ging dabei insbesondere auf die Frage ein, ob Deutschland sich momentan in einer Rezession befindet bzw. eine solche für das Jahr 2020 zu erwarten ist. Vor dem Hintergrund der nachlassenden Dynamik der Weltwirtschaft, einem rückläufigen Welthandel und hoher Risiken im geopolitischen Raum, aber auch einer nach wie vor hohen Verschuldung in vielen Ländern ist die Rezessionswahrscheinlichkeit deutlich gestiegen. Markant ist auch die aktuelle Zweiteilung in eine Industrierezession und einer bislang robusten Binnenwirtschaft in sonstigen Bereichen. Insgesamt sei daher eine sehr verhaltene konjunkturelle Entwicklung für Deutschland zu erwarten, aber mit einer breiten gesamtwirtschaftlichen Rezession in den nächsten Monaten sei nach Einschätzung des Rates nicht zu rechnen.

Im nächsten Teil des Vortrags ging es um die mittelfristigen Wachstumsaussichten für Deutschland. Seit Anfang der neunziger Jahre ist das Wachstum des Produktionspotentials von 2½ auf rund 1 % p.a. zurückgegangen. Dahinter stehen ein verlangsamtes bzw. nicht mehr gegebenes Wachstum des Arbeitsvolumens infolge der Demographie und einer mehr oder weniger versiegenden Zuwanderung von Arbeitskräften aus Ost- und Mitteleuropa sowie ein deutlich verlangsamtes Produktivitätswachstum. In seinem aktuellen Gutachten diskutiert der Sachverständigenrat verschiedene Möglichkeiten zur Verbesserung der Wachstumsbedingungen, wie die Hebung noch vorhandener Arbeitsmarktpotentiale, die Verbesserung von Arbeitsanreizen, die Schaffung attraktiverer Rahmenbedingungen und eine Erhöhung der Gründungsdynamik. Die Industrie- und Innovationspolitik sei dagegen nicht neu zu erfinden, sondern die bekannten Charakteristika einer erfolgreichen Industriepolitik wie Diskriminierungsverbot, Transparenz und Evaluierung der industriepolitischen Maßnahmen, eine Stärkung der Wettbewerbspolitik sowie die Absage an Protektionismus seien zu beachten. Der Rat betont, dass einer horizontalen Industriepolitik, die auf die Rahmenbedingungen unternehmerischen Handelns abhebt, der Vorzug zu geben ist vor einer vertikalen Industriepolitik, wie sie derzeit im politischen Raum diskutiert wird und die auf die Förderung einzelner Technologien, Sektoren oder Unternehmen abzielt.

Zur Klimapolitik hat sich der Rat im Sommer dieses Jahres in einem Sondergutachten ausführlich geäußert und Reformoptionen in der Klimapolitik diskutiert, wobei der Rat darauf verweist, dass Deutschland droht, die Klimaziele zu verfehlen. Um die klimapolitischen Ziele zu erreichen, ist nach Ansicht des Rates ein einheitlicher CO2-Preis (anstelle der heute vorliegenden großen Anzahl an CO2-Preisen) ebenso notwendig wie eine internationale Arbeitsteilung auch in diesem Bereich, um die volkswirtschaftlichen Kosten der Transformation möglichst gering zu halten. Kurzfristig sei eine nationale CO2-Bepreisung auch für Verkehr und Gebäude notwendig, mittelfristig, spätestens ab 2030, sei der EU-Emissionshandel auf weitere Sektoren auszuweiten. Damit verbundene Probleme bzgl. der internationalen Wettbewerbsfähigkeit seien in gewissem Umfang durch die freie Erst-Zuteilung von Emissionszertifikaten lösbar; ein Grenzausgleich böte zudem grundsätzlich die Möglichkeit des Nachteilsausgleichs, berge aber, so Weiske, handelspolitisches Konfliktpotenzial. Zur Vermeidung gesellschaftlicher Verwerfungen und unerwünschter Verteilungswirkungen wird eine Rückverteilung der Einnahmen, bspw. durch eine pauschale Rückgabe, durch eine Senkung der Stromsteuer oder der EEG-Umlage oder anderer verzerrender Steuern und Abgaben vom Rat erwogen.

Nur kurz konnte Weiske auf die Diskussion um die Schuldenbremse eingehen. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die im Jahresgutachten analysierten Veränderungen der Bruttoanlageinvestitionen des Staates, die zuletzt um gut 8 % gestiegen sind, wobei jedoch ungefähr die Hälfte dieses Anstiegs auf gestiegene Preise zurückzuführen ist. Niedrige Zinsen, so Weiske, dürfen kein Argument für zusätzliche Schulden sein, den im Falle eines zukünftigen Zinsanstiegs würde eine Refinanzierung dann entsprechend teurer. In dieser Diskussion weist der Rat auch auf die notwendige Unterscheidung zwischen der Schuldenbremse und der „Schwarzen Null“ im Haushalt hin, und diese Unterscheidung ist sehr wohl für die Beurteilung der staatlichen Investitionstätigkeit von Bedeutung. Bzgl. der staatlichen Investitionen sei auch wichtig, neben den Investitionen im engeren Sinn auch die Ausgaben für Instandhaltung in den Blick zu nehmen und auch die vielfach vorhandenen Umsetzungsprobleme nicht auszublenden.

An den ausgesprochen interessanten Vortrag schloss sich noch eine lebhafte Diskussion zu den einzelnen im Vortrag angeschnittenen Themen an.

Der öffentliche Vortrag der Reihe „Sigmaringer Vorträge zur aktuellen gesamtwirtschaftlichen Lage“ wurde von Prof. Dr. Matthias Premer, Prorektor Forschung der Hochschule Albstadt-Sigmaringen und Professor in der Fakultät Business Science and Management, organisiert.

 

Das vollständige Jahresgutachten gibt es hier: www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de